- Ökologie: Nahrungsbeziehungen zwischen den Arten
- Ökologie: Nahrungsbeziehungen zwischen den ArtenAlle Tiere sowie Pilze und die meisten Protozoen und Bakterien sind darauf angewiesen, energiereiche organische Stoffe als Nahrung aufzunehmen, um damit ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Form der Nahrungsgewinnung hat zur Folge, dass die als Nahrung dienenden Organismen in ihrer Entfaltung durch die nahrungssuchenden Lebewesen eingeschränkt werden. Deshalb mussten die als Nahrung dienenden Organismen viele Strategien entwickeln, um sich trotz dieser ständigen Eingriffe in ihre Bestandsentwicklung behaupten zu können. Viele Pflanzenarten zum Beispiel widerstehen diesen Eingriffen durch hohe Vermehrungsraten und ebensolche Regenerationsleistungen nach Verletzungen. Andere Pflanzenarten und viele Tiere, die als Nahrung dienen, entwickelten diverse weitere Strategien, um überleben zu können.Räuber- und BeutepopulationenBei Tieren kann die Dominanz einer Art dazu führen, dass sich eine Räuber-Beute-Beziehung einstellt, dass also die Individuen der einen Art von denjenigen der dominanten Art (den Räubern) als Nahrung genutzt werden. Obwohl die Räuber die Beutepopulation dezimieren, bleibt deren Gesamtbestand ungefährdet, denn die Beutepopulation reagiert in der Regel auf eine Bestandsverminderung durch entsprechend hohe Nachkommenschaft, sofern es das Nahrungsangebot des Lebensraums zulässt.Über längere Zeiträume hinweg können die Beutetiere Strategien entwickeln, die den Jagderfolg der Räuber begrenzen, beispielsweise durch den Erwerb einer Schutzfarbe oder dadurch, dass spezielle Verhaltensweisen die Angriffe der Räuber erschweren. So werden häufig nur besonders schwache und kränkelnde Individuen der Beutepopulation erlegt, was für die Beutepopulation insgesamt eine Entwicklung zu einer eher verbesserten Vitalität oder Fitness bedeutet, da auf diese Weise die weniger vitalen Individuen von der Fortpflanzung weitgehend ausgeschlossen werden. Die Größen von Räuber- und Beutepopulationen beeinflussen sich gegenseitig, sodass sich ein dynamisches Gleichgewicht zwischen beiden Populationen einstellt: Nimmt die Beutepopulation im Lauf der Zeit zu, dann folgt mit einer gewissen Verzögerung auch die Räuber- oder Jägerpopulation diesem Wachstum. Diese dezimiert die Beutepopulation so, dass ihr Bestand abnimmt, mit der Folge, dass die Räuberpopulation ebenfalls wieder kleiner wird.Solche Bestandsschwankungen fallen minimal aus, wenn die Gruppe der Beutetiere durch die Räuber nicht nennenswert vermindert wird. Ein Beispiel ist die Beziehung zwischen Löwen und einer Herde von Weidetieren, da immer nur einzelne Tiere gerissen werden. Bestände von Populationen können jedoch sehr starken Schwankungen unterliegen, wenn der Jagderfolg der Räuber vorübergehend wesentlich größer ausfällt als die Vermehrungsrate der Beutetiere, wie dies zum Beispiel in den Beziehungen von Marienkäfern zu Blattläusen und von Raubmilben zu Milben der Fall ist. Nur im letzteren Fall (Jagderfolg größer als Vermehrungsrate der Beutetiere) lohnt es sich, natürliche Feinde zur Bekämpfung von Beutetieren einzusetzen, die der Mensch als unerwünschten Schädling empfindet.Eine besondere Räuberform: tierfangende PflanzenEine Reihe von Pflanzenarten, die auf vernässten oder vermoorten, nährstoffarmen Böden wachsen, sind dazu übergegangen, Kleintiere zu fangen. Deren Proteine werden enzymatisch aufgelöst und die stickstoffhaltigen Abbauprodukte als Nährstoffe verwendet. Durch diese Form der Ernährung sind die Pflanzen in der Lage, auch auf nährstoffarmen Böden normal zu wachsen und sich fortzupflanzen. Die Tiere werden mit ganz unterschiedlichen Fangeinrichtungen festgehalten. Man unterscheidet Klebfallen, Gleitfallen, Klappfallen und Saugfallen. Klebfallen sind bei Sonnentauarten und beim Fettkraut ausgebildet, deren Blätter über mehr oder minder lange Tentakeln verfügen, die ein mit zähem Fangschleim überzogenes Köpfchen tragen, das zum Festhalten der Beutetiere dient. Der Fangschleim enthält Protein zersetzende Enzyme, die die Weichteile der Beutetiere auflösen. Die Zersetzungsprodukte werden von den Tentakeln resorbiert.Bei der Ausbildung von Gleitfallen verwachsen Blätter zu Kannen oder Röhren. Der Kannenrand wird mithilfe einer Wachsauflage geglättet, sodass die sich hier niederlassenden Insekten in die Kanne gleiten, in der sich eine Flüssigkeit aus Wasser und Protein abbauenden Enzymen befindet. Manche Pflanzen scheiden zur Verdauung der gefangenen Insekten Ameisensäure in die Kanne ab, andere begnügen sich damit, dass die im Innern der Kanne angesiedelten Bakterien die Abbauarbeit an den gefangenen Insekten vollbringen. Gleitfallen bilden unter anderem die Kannenpflanze, das Schlauchblatt und die Kobrapflanze.Zur Ausbildung einer Klappfalle sind die Laubblätter der Venusfliegenfalle zu zwei in der Blattmittelrippe beweglichen Klappen umgestaltet, die jeweils drei Tastborsten tragen. Berührt ein Tier beim Umhergehen auf dem Blatt mehrfach diese Borsten, dann wird der Schließmechanismus ausgelöst (Seismonastie) und die Klappe schließt sich in weniger als 0,1 Sekunden; auch Fliegen können nicht mehr entkommen. Über die Blattflächen, die das Beutetier umschließen, sind Verdauungsdrüsen verteilt, die Protein auflösende Enzyme abgeben. Die Zersetzungsprodukte der Tiere werden dann über die Blattflächen aufgenommen.Während die Venusfliegenfalle ihren Fangapparat durch blitzschnelle Änderung des Zellinnendrucks (Turgor) im Gelenkgewebe des Blattmittelnervs zuschnappen lässt, sind die im Sumpfwasser sitzenden Blättchen des Wasserschlauchs zu kleinen, mit einem Deckel verschlossenen Bläschen umgebildet. Aus den Bläschen wird das Wasser mithilfe von Drüsen herausgepumpt, sodass ein Unterdruck entsteht. Stößt beispielsweise ein Wasserfloh an die am Deckel sitzenden Tastborsten, dann springt der Deckel nach innen auf. Einströmendes Wasser reißt den Wasserfloh in die Blase, die sich nach dem Druckausgleich sofort wieder schließt. Verdauungsdrüsen im Innern des Bläschens zersetzen die Beute und Resorptionshaare nehmen die Abbauprodukte auf.Kommensalen und ParasitenKommensalen sind Lebewesen, die vom Nahrungsreichtum anderer Organismen profitieren, ohne dass beide Lebewesen unmittelbar miteinander verbunden sind. Im Pflanzenreich besteht eine solche Beziehung beispielsweise zwischen dem Englischen Raygras und dem Wiesenklee. Das Raygras kann vollkommen selbstständig gedeihen, doch wächst es in einem Kleebestand am besten. Ursache hierfür ist die Symbiose der Kleepflanzen mit Stickstoff fixierenden Bakterien. Dadurch gelangen pflanzenverfügbare Stickstoffverbindungen in den Boden und werden vom Raygras als Zusatznahrung aufgenommen.Anders als die Kommensalen schließen sich Parasiten unmittelbar an den Stoffwechsel eines lebenden Organismus an. Dabei entwickelt sich eine so enge Abhängigkeit des Parasiten von seinem Wirt, dass Änderungen des aktuellen Lebensmilieus des Wirts zum Absterben des Parasiten führen können. Bei Parasit-Wirt-Beziehungen wird der Wirt vom Parasiten nicht getötet, wohl aber mehr oder minder ausgeprägt geschwächt, da der Parasit ihm diverse Nährstoffe entzieht. Bei stets gleich bleibenden Lebensbedingungen treten jedoch keine ausgeprägten Abhängigkeiten der Populationsgrößen von Parasiten und den Wirtsorganismen auf, wie es bei Räuber-Beute-Beziehungen der Fall ist.Bei Pflanzen unterscheidet man Halb- und Vollparasiten. Halbparasiten sind grün und deshalb zur Photosynthese befähigt. Mithilfe von Saugorganen, den Haustorien, entnehmen sie Saft aus dem Holzteil (Xylem) der Leitbündel des Wirts, in dem vorzugsweise anorganische Stoffe transportiert werden. Allerdings sind im Xylemsaft auch einige organische Stoffe enthalten, so beispielsweise eine Gruppe pflanzlicher Hormone, die Cytokinine, die vor allem die Zellteilung anregen. Beispiele für solche Halbparasiten sind die Mistel, der Wachtelweizen, der Augentrost und der Klappertopf. Obwohl Halbparasiten den Wirten vorzugsweise Mineralstoffe entziehen, können einige von ihnen sehr hohe Wirtspezifitäten entwickeln, wie zum Beispiel verschiedene Rassen der Mistel, die jeweils nur auf ganz bestimmten Laubholzarten parasitieren können. Andere Halbparasiten zeigen diese hohe Wirtspezifität nicht. So kann beispielsweise der Wachtelweizen auf den Wurzeln verschiedener Gräser und Laubbäume parasitieren. Die Ursachen für die unterschiedliche Wirtspezifität der Halbparasiten sind bislang nicht bekannt.Vollparasiten sind chlorophyllfrei und dementsprechend nicht mehr zur Photosynthese befähigt. Deshalb müssen sie dem Wirt neben Mineralstoffen auch alle lebensnotwendigen organischen Stoffe entnehmen. Ihre Haustorien wachsen deshalb in das Xylem und in das Phloem der Wirtspflanzen. Die Laubblätter der Vollparasiten sind zu Schuppenblättern reduziert, doch ihre Blüten sind wohl entwickelt und produzieren meist große Mengen nährstoffarmer und leicht transportabler Samen. Durch die große Anzahl von Samen erhöhen die Vollparasiten die Wahrscheinlichkeit, dass Keimlinge aus diesen Samen baldmöglichst auf einen geeigneten Wirt treffen, denn ohne Wirt können sie nicht lange überleben.Nicht selten ziehen beide Partner aus dem engen Zusammenleben zweier Organismen Vorteile. Stellt sich ein mehr oder weniger ausgeprägtes Gleichgewicht gegenseitiger Ausnutzung zum Vorteil beider Partner ein, so spricht man von Symbiose. Pflanzen sind zu Symbiosen mit sehr verschiedenen Gruppen von Lebewesen befähigt.Symbiosen haben sich offenbar sehr frühzeitig im Verlauf der Evolution der Lebewesen herausgebildet. Es wird sogar davon ausgegangen, dass die Entstehung von Landpflanzen aus Wasserpflanzen im Silur vor etwa 400 Millionen Jahren nur mithilfe von Pilzen möglich war, denn heute ist kaum eine Landpflanze bekannt, die nicht eine Symbiose mit Pilzen eingehen kann. Es wird angenommen, dass Pilze zunächst im Meer abgestorbene Organismen abgebaut haben und zusammen mit dem organischen Schlamm auch an Land gespült wurden. Die Urpflanzen, die zu jener Zeit noch gar keine echten Wurzeln besaßen, sondern Rhizome oder Kriechsprosse, könnten den mit Pilzen durchsetzten organischen Schlamm an den Ufersäumen benutzt haben, um von diesem Substrat die erforderlichen Nährstoffe aufzunehmen, die das damals nahezu sterile Erdreich noch nicht in genügender Menge zur Verfügung stellen konnte. Die in jener Zeit eingegangene Verbindung von Pflanzen und Pilzen hat dann im Verlauf der weiteren Entwicklung viele Spezialisierungen erfahren.Schmetterlingsblütler wie Klee, Lupine und Robinie lassen in einer hochspezifischen Wechselwirkung Bakterien einer bestimmten Rhizobienart in ihre Wurzelrinde eindringen. Der Wirt schließt die Bakterien in ein eigens dafür angelegtes Meristem, ein Gewebe teilungsfähiger Zellen, ein, in dem die Bakterien in eine Ruheform als Bakterioiden übergehen. Eingeschlossen in diese Gewebsknöllchen gehen nun die Bakterioiden dazu über, Luftstickstoff zu fixieren und in Aminosäuren einzubauen, die die Wirtspflanze mithilfe von Ausläufern ihrer Leitbündel zum Teil aufnimmt. Nach einiger Zeit degenerieren die Knöllchen, wobei die meisten der eingeschlossenen Bakterioiden von der Wirtspflanze verdaut werden. Einige Bakterien überleben jedoch, gelangen aus den zerfallenden Knöllchen ins Freie und stehen nunmehr für neuerliche Infektionen bereit. Erlen und Sanddorn gehen eine ganz ähnliche Symbiose mit Actinomyceten, den Strahlenpilzen, ein.Mykorrhiza und FlechtenInsbesondere die Mykorrhiza genannten Symbiosen mit Pilzen haben eine große biologische Bedeutung für Pflanzen erlangt. Bei einer ektotrophen Mykorrhiza umschlingen Pilzfäden die Saugwurzeln der Wirtspflanzen und dringen in die Zellzwischenräume (Interzellularräume) der Wurzelrinde ein. Die außerhalb der Wurzeln befindlichen Pilzhyphen zersetzen organisches Material im Boden und nehmen die dabei freigesetzten Mineralstoffe sowie Bodenwasser auf, die die Wirtspflanze dann dem Pilz zum Teil wieder entzieht. Die höhere Pflanze benutzt die Pilzgeflechte im Boden gewissermaßen wie ein besonders weit verzweigtes Netz von feinsten Saugwurzeln. Im Gegenzug entnehmen die Pilze dem Wirt Assimilate, die sie unbedingt zur Hutbildung (Sporenträger oder »Fruchtkörper«) benötigen. Während für viele Pflanzenarten eine solche Mykorrhiza nicht unbedingt zum Überleben notwenig ist (fakultative Mykorrhiza), sondern lediglich die Lebensbedingungen deutlich verbessert, ist sie besonders für Bäume der Schluss- oder Klimaxgesellschaften, wie zum Beispiel Rotbuche oder Fichte, lebensnotwendig (obligate Mykorrhiza). Bei der endotrophen Mykorrhiza dringen die Pilze in die Zellen der Wurzelrinde ein, ohne sie dabei zu zerstören. Diese Form der Mykorrhiza ist unter anderm bei fast allen Orchideen anzutreffen. Auch hier ist die Mykorrhiza lebensnotwendig, denn ohne diese Form der Symbiose können sich junge Orchideenkeimlinge nicht weiterentwickeln. Die höhere Pflanze begnügt sich nicht damit, dem eingedrungenen Pilz Nährstoffe zu entziehen, sie verdaut alle Pilzfäden, die in tiefere Schichten der Wurzelrinde vordringen. Da die Pilze Nährstoffe aus dem Boden in die Rindenzellen der Wurzeln transportieren, werden sie auch als »Ammenpilze« für die Orchideenkeimlinge bezeichnet.Eine weitere ökologisch bedeutsame Symbioseform stellen die Flechten dar. Pilzhyphen von Ständerpilzen (Basidiomyceten) umschlingen einzellige Grünalgen (Chlorophyceae) oder auch die ebenfalls zur Photosynthese befähigten Cyanobakterien (»Blaualgen«). Die Pilze senden Haustorien in die Zellen der Symbiosepartner und entnehmen ihnen damit Assimilate. Die zur Photosynthese befähigten Algen beziehen ihrerseits Wasser und Mineralstoffe. Sie werden außerdem durch ein dichtes Flechtwerk, die »Flechtenrinde« der Pilzhyphen, vor dem Austrocknen geschützt. Zwar werden die Grünalgen bei dieser Symbiose so stark beeinträchtigt, dass sie sich nicht mehr sexuell, sondern nur noch vegetativ fortpflanzen können, doch ermöglicht diese Symbiose andererseits die Besiedlung von Extremstandorten, wie Baumstämmen oder Felsen, sodass damit der Lebensraum für Pilze wie für Algen und Cyanobakterien erheblich erweitert wird.Nicht minder ökologisch bedeutsam ist eine Form der Symbiose, die viele Insekten und einige andere Tierarten mit Blütenpflanzen eingehen, indem sie Blütenstaub (Pollen) von einer Blüte zur anderen übertragen und damit eine Fremdbestäubung bei der sexuellen Fortpflanzung der Blütenpflanzen sicherstellen. Als Gegenleistung entnehmen die bestäubenden Tiere den Blüten zuckerhaltigen Nektar oder andere Blütenbestandteile als Nahrung.Symbiosen im TierreichViele höhere Tiere beherbergen in ihrem Verdauungstrakt Bakterien, Hefen oder Flagellaten. Alle diese Mikroorganismen werden durch den Wirt, beispielsweise ein Rind oder ein Pferd, ständig reichlich mit Nahrung versorgt. Da diese Kleinlebewesen in der Lage sind, Cellulose abzubauen, was der Wirt mit seinem Verdauungsapparat nicht schafft, können sie die Zellen des gefressenen Pflanzenmaterials aufschließen und ermöglichen damit dem Wirt die Verdauung der so freigesetzten Zellinhalte. In diesen Fällen ziehen also beide Symbiosepartner Ernährungsvorteile aus dem Zusammenleben.Symbiosen im Tierreich müssen jedoch nicht unbedingt beiden Symbiosepartnern einen Ernährungsgewinn verschaffen. Einer der Partner kann durchaus auch anders geartete Vorteile aus dem Zusammenleben ziehen. Bei der Symbiose von Einsiedlerkrebs und Seeanemone beispielsweise sitzt die Seeanemone auf dem Schneckenhaus, das sich der Krebs als Behausung ausgesucht hat. Während die Seeanemone durch das ständige Umherziehen des Einsiedlerkrebses an dessen Jagderfolg teilhat, genießt der Krebs lediglich den Schutz vor Feinden durch die giftigen Nesselfäden der Seeanemone.Konkurrenz oder KoexistenzDas Zusammenleben mehrerer Arten in einem bestimmten Lebensraum kann in Konkurrenz oder in Koexistenz stattfinden. Treten zwei Arten in Konkurrenz um lebensnotwendige Ressourcen in ein und demselben Lebensraum, dann kann sich eine der konkurrierenden Arten als die vitalere erweisen. Diese Art wird dann ihre Konkurrenten zurückdrängen oder in ihrem Bestand dezimieren. Erweisen sich die Vitalitätsunterschiede als sehr groß, dann kann die weniger vitale Art völlig verdrängt werden, sodass die vitalere Art schließlich die volle Kapazität des Lebensraums für sich selbst nutzen kann. Sind dagegen zwei oder mehrere Arten etwa gleich vital, dann stellt sich ein Gleichgewicht zwischen diesen Arten ein, das man als Koexistenz bezeichnet. Die Tragfähigkeit des Lebensraums oder dessen Umweltkapazität begrenzen in diesem Fall das Wachstum der koexistierenden Arten. Dabei muss die Individuenzahl beider Arten keineswegs gleich groß sein, jedoch bleibt das Verhältnis der Populationsgrößen der miteinander vergesellschafteten Arten konstant. Ändert sich die Vitalität einer Art, etwa infolge sich ändernder Umweltbedingungen, kann die Koexistenz aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Es entwickelt sich dann ein Konkurrenzverhalten, dem eine der Arten gänzlich zum Opfer fallen kann. Nur wenn es einer der konkurrierenden Arten gelingt, eine ökologische Nische zu besetzen, die durchaus nicht völlig den physiologischen Ansprüchen dieser Art entsprechen muss, kann diese Art in dem für sie bedrängten Biotop überleben.Ökologische NischenWeitgehend kollisionsfrei verläuft das Zusammenleben verschiedener Arten stets dann, wenn sie sich bei der Nahrungsbeschaffung, bei der Auswahl von Brutplätzen und hinsichtlich der bevorzugten Aufenthaltsplätze so weit wie möglich aus dem Weg gehen, wenn sie, wie man sagt, ökologische Nischen einnehmen. Der Begriff »Nische« ist dabei nicht unbedingt nur räumlich zu verstehen, vielmehr bezeichnet er das gesamte Wirkungsfeld einer Art. Zum Wirkungsfeld gehören unter anderm die Nahrung, die Art und Weise der Nahrungsgewinnung, die Nutzung abiotischer Faktoren eines Biotops, aber auch die zeitlich unterschiedliche Nutzung eines Lebensraums. Beispielsweise können tag- und nachtaktive Tiere kaum miteinander in Konkurrenz treten oder gar eine Räuber-Beute-Beziehung eingehen, weil es deren unterschiedliche Aktivitätsphasen praktisch nicht zulassen. Die Besetzung verschiedener ökologischer Nischen ermöglicht somit die Ansiedlung vieler Arten in ein und demselben Lebensraum, ohne dass sich die Arten durch zu harte Konkurrenz gegenseitig verdrängen oder vernichten. Darüber hinaus müssen in ökologischen Nischen angesiedelte Arten auch nicht mehr die gleiche Vitalität aufweisen, um sich in derselben Biozönose behaupten zu können.Im Bestreben, geeignete, das Überleben sichernde ökologische Nischen zu finden, können einigermaßen anpassungsfähige Arten durchaus auf ihre optimalen Lebensgrundlagen verzichten, wenn sie dadurch der Konkurrenz durch andere Arten entgehen. Beispielsweise gedeihen die drei Grasarten Wiesenfuchsschwanz, Glatthafer und Aufrechte Trespe optimal bei gleicher Entfernung zum Grundwasserspiegel. Treten diese drei Gräser im gleichen Lebensraum auf, dann stellt sich eine Umverteilung ein: Der Glatthafer behauptet nach wie vor seine optimale Position zum Grundwasserspiegel. Der Wiesenfuchsschwanz weicht dagegen auf feuchtere Standorte aus, während die Aufrechte Trespe trockenere Bereiche bevorzugt, um der Konkurrenz durch die anderen Gräser auszuweichen. Die drei Gräser haben sich also, trotz gleicher physiologischer Bedürfnisse, in drei verschiedenen ökologischen Nischen angesiedelt. Ein anderes Beispiel sind Ratten, die mit Menschen in einem Haus zusammenleben. Obwohl sie eigentlich Dämmerungstiere sind, verlegen Ratten ihre Hauptaktivitätsphasen in die Nacht, denn abends treffen sie zu oft auf Menschen.Eine ökologische Einnischung kann also auf ganz verschiedenen Ebenen bedeuten, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen, wobei durchaus gewisse Überlappungen verschiedener ökologischer Nischen möglich sind. Man spricht deshalb auch von fundamentalen und realisierten ökologischen Nischen, wobei die fundamentale Nische dem Gesamtbereich der physiologischen Bedürfnisse entspricht, während die realisierte Nische den tatsächlich eingenommenen Lebensbereich darstellt. Dementsprechend kann ein und dieselbe Art in verschiedenen Lebensräumen unterschiedliche ökologische Nischen einnehmen.Prof. Dr. Günter Fellenberg, WolfsburgWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Ökosystem: Struktur der NahrungsbeziehungenGrundlegende Informationen finden Sie unter:Ökologie: Populationen und BiozönosenBegon, Michael, u. a.: Ökologie. Aus dem Englischen. Neuausgabe Heidelberg u. a. 1998.Klötzli, Frank: Ökosysteme. Aufbau, Funktionen, Störungen. Stuttgart u. a. 31993.Lovelock, James: Gaia. Die Erde ist ein Lebewesen. Anatomie und Physiologie des Organismus Erde. Aus dem Englischen. Taschenbuchausgabe München 1996.Mit der Erde leben. Beiträge geologischer Dienste zur Daseinsvorsorge und nachhaltigen Entwicklung, herausgegeben von Friedrich-Wilhelm Wellmer u. a. Berlin u. a. 1999.Natur- und Umweltschutz. Ökologische Grundlagen, Methoden, Umsetzung, herausgegeben von Lore Steubing u. a. Jena u. a. 1995.Odum, Eugene P.: Ökologie. Grundlagen, Standorte, Anwendung. Aus dem Englischen. Stuttgart u. a. 31999.Odum, Eugene P. / Reichholf, Josef: Ökologie. Grundbegriffe, Verknüpfungen, Perspektiven. Brücke zwischen den Natur- und Sozialwissenschaften. Aus dem Englischen. München u. a. 41980.Osteroth, Dieter: Biomasse. Rückkehr zum ökologischen Gleichgewicht. Berlin u. a. 1992.Schaefer, Matthias: Ökologie. Jena 31992.Das Überlebensprinzip. Ökologie und Evolution, bearbeitet von Hinrich Bäsemann u. a. Hamburg 1992.
Universal-Lexikon. 2012.